Zu den aktuell laufenden Sondierungsgesprächen auf Bundesebene äußert sich der Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg, Landrat Joachim Walter (Tübingen), wie folgt:
„Die Haushaltslage der Landkreise ist dramatisch. Für dieses Jahr gehen 90 Prozent der baden-württembergischen Landkreise von einem negativen Jahresergebnis aus. Auch kommen Kreise zunehmend in Liquiditätsprobleme, was in Baden-Württemberg bislang undenkbar war. Ich erwarte und fordere daher, dass bei den Gesprächen zur Bildung einer neuen Bundesregierung die Stabilisierung der Kommunalfinanzen zu einem der Schwerpunktthemen gemacht wird.
Die Tatsache, dass die Kommunen in Deutschland ein Viertel der gesamtstaatlichen Ausgaben tragen, aber nur ein Siebtel des Steueraufkommens erhalten, verdeutlicht die himmelschreiende Unterfinanzierung der Landkreise, Städte und Gemeinde. Um dem entgegenzuwirken, sollte der kommunale Anteil an der Umsatzsteuer kurzfristig von zwei auf sechs Prozent erhöht werden. Dies würde bundesweit rund 11,5 Milliarden Euro mehr in den kommunalen Kassen bedeuten.
Wir brauchen zugleich eine grundlegende Reform des Sozialstaats – nicht um ihn abzuschaffen, sondern um ihn auf Dauer erhalten zu können. Dazu gehören eine konsequente Deregulierung und Vereinfachung des aktuellen Systems. Soziale Transferleistungen müssen so gestaltet werden, dass sich Erwerbsarbeit wieder lohnt. In diesem Sinne muss auch das Bürgergeld neu aufgestellt werden. So sollten beispielsweise die Karenzzeiten bei der Berücksichtigung von Vermögen gestrichen werden.
Einer der Gründe für die finanzielle Schieflage der Landkreise ist die Kommunalisierung der Kosten im Bereich der Geflüchtetenunterbringung. So hat der Bund bis 2021 sämtliche flüchtlingsbedingten Unterkunftskosten, die auf Ebene der Landkreise angefallen sind, vollumfänglich erstattet. 2022 wurden diese Erstattungsleistungen an die Kommunen einfach gestrichen. Hierdurch sind den Landkreisen und kreisfreien Städten in den vergangenen Jahren bundesweit Mehrbelastungen in Höhe von acht Milliarden Euro entstanden. Dass die Geflüchtetenkosten auf diese Art und Weise kurzerhand kommunalisiert wurden, ist allein schon deswegen inakzeptabel, weil die Kommunen – anders als der Bund – keinerlei Möglichkeiten haben, den Zuzug von geflüchteten Menschen zu steuern, zu regulieren und zu begrenzen.
Ebenso muss die Wende in der Migrationspolitik endlich vollzogen werden. Insbesondere müssen die deutschen Sozialleistungen für Asylbewerbende und vor allem auch für abgelehnte Asylsuchende auf die Grundversorgung begrenzt werden. Neu nach Deutschland kommende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollten Sozialleistungen künftig wieder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und nicht nach den Sozialgesetzbüchern erhalten.
Die Situation der Kliniken im Land ist dramatisch. So mussten die baden-württembergischen Landkreise ihre Kliniken im Jahr 2024 mit fast 800 Millionen Euro bezuschussen und planen für das laufende Haushaltsjahr mit Beihilfen in Höhe von annähernd 750 Millionen Euro. Um die baden-württembergischen Kliniken finanziell zu stabilisieren, muss eine neue Bundesregierung in ihren ersten hundert Tagen dafür sorgen, dass zur Kompensation der Inflationssprünge in den Jahren 2022 und 2023 der Krankenhausgrundpreis um mindestens 4% erhöht wird. Zudem müssen auch an den baden-württembergischen Kliniken sämtliche Personalkostensteigerungen dauerhaft ausfinanziert werden und braucht es eine Begrenzung der Leiharbeit bei Pflegekräften.“