„Die 2020er – Dekade der Schulmodernisierung“ – unter diesem Motto hatten die Kommunalen Landesverbände Städtetag, Gemeindetag und Landkreistag Baden-Württemberg zum Bildungskongress im Rahmen der Bildungsmesse didacta eingeladen.
Dieses Jahrzehnt soll als die Dekade der Schulmodernisierung in die Geschichte eingehen. Die Digitalisierung der Schulen hat durch den DigitalPakt Schule 2019 bis 2024 sowie weitere durch die Pandemie begründete Förderprogramme zwar einen gewaltigen Schub erlebt, steht aber im Hinblick auf ihre ganzheitliche Umsetzung dennoch erst am Anfang. Die dafür investierten Milliardenbeträge waren sinnvoll – das bleibt diese Investition aber nur, wenn die Finanzierung auch fortgesetzt wird.
„Wir brauchen die ganze Dekade, um unsere Schulen weiter digital zu modernisieren, und den Masterplan dafür samt dem notwendigen Geld. Beides fehlt derzeit. Der Fortschritt wartet aber nicht auf uns. ChatGPT lässt erahnen, was an digitalen Evolutionen und Revolutionen noch kommen wird. Dafür müssen unsere Schulen für ihren Unterricht und unsere Kinder für ihr Leben gewappnet sein“, so Oberbürgermeister Michael Makurath, Vize-Präsident des Städtetags Baden-Württemberg, beim Bildungskongress der Kommunalen Landesverbände in Stuttgart.
„Es geht heute nicht mehr darum, ob die digitale Schule kommt – es geht darum, ob sie bleibt. Die Städte hören, dass viele Lehrkräfte den Weg weitergehen wollen. Das ist ein gutes und wichtiges Zeichen. Aber wir können nicht alles auf einmal. Jetzt brauchen wir dringend einen zwischen Land und Kommunen abgestimmten Ausbauplan für die Digitalisierung. Wir haben unsere 650 Millionen Euro schon zwei Jahre vor dem Ende des DigitalPakts Schule des Bundes ausgeschöpft, auch dank der Arbeit des Kultusministeriums. Nun sehen die Kommunen aber das Land am Zug, seine Lehrkräfte auch weiterhin mit Geräten auszustatten. Wir sind bereit weiterzumachen, brauchen aber für diese Riesenaufgabe bei 130.000 Lehrkräften eine seriöse Finanzierung. Das gilt auch für den noch größeren Brocken: die Schülergeräte – für 1,5 Millionen Schülerinnen und Schüler im Land.“
Der Kongress, der im Rahmen der Bildungsmesse didacta stattfand, hatte mehr als 1000 Gäste aus Kommunal- und Landespolitik sowie aus dem Bildungssektor, die sich zu aktuellen Bildungsthemen und den politischen Standpunkten der Landespolitik informieren konnten.
Gäste aus der Landespolitik waren Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Landtagspräsidentin Muhterem Aras, Kultusministerin Theresa Schopper sowie die Vorsitzenden bzw. Vertreter der Fraktionen im Landtag.
Ein weiteres Schwerpunktthema des Bildungskongresses war die Herausforderung, die Ganztagesbildung und -betreuung für die Kinder im Grundschulalter weiterzuentwickeln. Der im Sozialgesetzbuch VIII verankerte und ab dem Schuljahr 2026/207 greifende Rechtsanspruch auf eine ganztägige Betreuung setzt hier einen Rahmen, der sowohl für die Stadt- und Landkreise als auch für die kommunalen Schulträger noch immer viele Fragen aufwirft.
Der Präsident des Gemeindetags, Steffen Jäger, hat die kommunale Perspektive dabei klar beschrieben: „Die Städte und Gemeinden stehen ohne ‘Wenn und Aber‘ zum Ziel, die ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangebote zielgerichtet auszubauen. Der Rechtsanspruch könnte dafür sogar hinderlich sein, macht er doch einen systematischen Webfehler deutlich: Der Bund beschließt einen neuen Rechtsanspruch, die Erfüllungsstandards werden von Bund und Ländern definiert und die Kommunen sollen diese dann umsetzen. Doch leider wurde die kommunale Realität ausgeblendet.
Die Kommunen brauchen dringend Planungssicherheit. Sie brauchen Klarheit, dass auch im Hinblick auf die Betriebskostenfinanzierung die Schulträgerangebote verbindlich anerkannt werden. Denn ohne die vielfältigen Angebote von außerschulischen Bildungspartnern wird es nicht gelingen, die Ganztagesangebote an unseren Grundschulen erfolgreich auszubauen.
Wenn das Vertrauen in die Verlässlichkeit des Staates nicht gefährdet werden soll, dann ist es dringend erforderlich, dass politische Zielvorgaben wieder verstärkt und konsequent unter dem Gesichtspunkt des Machbaren ausgestaltet werden. Die Kommunen stehen dazu unterstützend zur Seite, auch beim Ausbau der Ganztagsangebote in der Grundschule. Denn wir wollen nicht nur ein Ziel formulieren, wir wollen, dass das, was versprochen wird, auch gelingen kann.“
Auch das Thema „Schulische Inklusion“ war eines der Schwerpunktthemen des Kongresses, das die Kommunale Familie nach wie vor in starkem Maße bewegt. Der Präsident des Landkreistags, Landrat Joachim Walter (Tübingen), fasst die kommunale Position hier wie folgt zusammen: „Ganz offensichtlich ist das System Schule nach wie vor nicht richtig auf die Bedarfe von Schülerinnen und Schüler mit Behinderung eingerichtet. Denn immer mehr Kinder und Jugendliche mit Handicap können nur mit Hilfe von externen Dritten, den sogenannten Schulbegleitungen, am Schulleben teilhaben. Geradezu irrwitzig ist es, dass die Zahl der Schulbegleitungen insbesondere auch an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren massiv anwächst: Selbst bei einem Schultyp, der eigens für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen geschaffen wurde, gelingt es dem Land nicht, eine angemessene Versorgung sicherzustellen. Damit werden die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention glatt verfehlt. Das Land muss daher endlich sämtliche seiner Schulen personell so ausstatten, dass alle Schülerinnen und Schüler mit Behinderung unabhängig von der Schulart ohne zusätzliche, von den Kreisen zu stellende Unterstützung am Unterricht teilnehmen können. Bis dies der Fall ist, muss das Land den Kreisen die Kosten aller notwendigen Schulbegleitungen erstatten – und nicht bloß zwanzig Prozent davon. Es darf nicht sein, dass die Kreise als Ausfallbürgen auf über 100 Millionen Euro sitzen bleiben, nur weil das Land seinen Pflichten aus internationalen Verträgen nicht nachkommt.“
Ministerpräsident Winfried Kretschmann betonte in seiner Rede, dass Land und Kommunen gemäß ihrer jeweiligen Zuständigkeit gemeinsam für eine gute Bildung der Kinder und Jugendlichen arbeiten: „Wir sind in einer Verantwortungsgemeinschaft. Und in der müssen wir in allen Fragen der Schulentwicklung gemeinsam nach guten Lösungen suchen. Auch wenn es darum geht, mehr Gerechtigkeit und mehr Qualität in unsere Schulen zu bringen“, so Kretschmann, der es begrüßt, dass die kommunalen Landesverbände die 2020er-Jahre zur „Dekade der Schulmodernisierung“ ausrufen. „Ich verbinde damit auch die klare Erwartung, Schule und Bildung zum absoluten Top-Thema in allen Kommunen unseres Landes zu machen.“ Der Ministerpräsident hob in seiner Rede zudem die Bedeutung des digitalen Lehrens und Lernens hervor. Klar sei aber auch, so Kretschmann: „Gute Schule im Zeitalter der Digitalisierung ist nicht zuerst eine Frage der Technologien, der Tools und der Infrastruktur. Das alles ist unverzichtbar und da hängen wir uns richtig rein. Aber im Kern geht es darum, junge Menschen zu befähigen, ihr Leben in der digitalen Welt frei und selbstbestimmt in die Hand zu nehmen. Auch im digitalen Zeitalter gilt: Die Pädagogik führt.“
Kultusministerin Theres Schopper pflichtete dem Ministerpräsidenten bei, dass Land und Kommunen zusammenarbeiten müssen: „Wir wollen einen gemeinsamen Schulterschluss in Sachen Digitalisierung und Schulträgerschaft im 21. Jahrhundert. Die Kommunen sind unsere Partner, wenn es um die Schulen geht. Es macht Sinn, dass die Schulträger sich auch um Laptops und Tablets kümmern, da sie die Infrastruktur vor Ort kennen und neue Geräte passend auswählen und integrieren können. Deswegen bleiben wir mit ihnen im Gespräch. Letzten Endes muss das Engagement aller Beteiligter – Bund, Land und Kommunen – vorhanden sein, damit wir die Schulen bestmöglich bei der Digitalisierung unterstützten können.“
In einer anschließenden Gesprächsrunde unter der Moderation des Journalisten Markus Brock diskutierten die Vertreter der Kommunalen Landesverbände, die Kultusministerin und die Fraktionsvorsitzenden Andreas Schwarz (Grüne), Manuel Hagel (CDU), Andreas Stoch (SPD), Hans-Ulrich Rülke (FDP) sowie der bildungspolitische Sprecher der AfD, Rainer Balzer, über die drei Schwerpunktthemen Inklusion, Ganztagsgrundschule und Digitalisierung der Schulen. Herausforderungen gebe es bei allen Themen – da waren sich alle schnell einig – die Ideen zur Lösung wurden dabei teils kontrovers diskutiert. Deshalb versicherten sich alle Beteiligten, weiterhin im Gespräch zu bleiben.