Kommunale Landesverbände warnen davor, unerfüllbare Erwartungen bei Eltern zu wecken
Der von der Bundesregierung ab 2025 geplante Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulen ist nach kommunaler Einschätzung in Baden-Württemberg nicht realistisch umsetzbar. „Städte und Gemeinden bauen bereits seit Jahren die Kinderbetreuungsangebote aus. Auch im schulischen Bereich ist es ihr Ziel, Familien ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot zu machen. Wir stehen ausdrücklich zum Auf- und Ausbau einer bedarfsgerechten Ganztagsbetreuung an Grundschulen. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen wird es in Baden-Württemberg aber nicht möglich sein, die Erwartungen zu erfüllen, die ein Rechtsanspruch mit sich bringt,“ erklären der Präsident des Gemeindetags, Steffen Jäger, das Geschäftsführende Vorstandsmitglied des Städtetags, Gudrun Heute-Bluhm, und der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags, Alexis von Komorowski.
Die größte Herausforderung sei der Fachkräftemangel. „Wir suchen schon heute händeringend Erzieherinnen und Erzieher für die Kindergärten und Kitas. Es wird nicht möglich sein, die dortigen Engpässe zu bewältigen und gleichzeitig noch viel mehr zusätzliche Fachkräfte für die schulische Betreuung zu finden“, so die Sorge der kommunalen Verbandsvertreter. Sie fürchten, dass der Rechtsanspruch im schulischen Bereich zulasten der personellen Versorgung im frühkindlichen Bereich gehen wird.
Die Spitzen der Kommunalen Landesverbände weisen zudem darauf hin, dass bisher eine weitere wesentliche Grundlage für die Realisierung des Vorhabens fehle: „Es gibt noch keinen für die Kommunen in Baden-Württemberg tragbaren und auf Dauer ausgelegten Finanzierungsvorschlag für die laufenden Kosten. Diese wurden von der kommunalen Seite auf mindestens 4,45 Mrd. Euro geschätzt, wobei der Bund lediglich eine Beteiligung von maximal 960 Mio. Euro jährlich zusagen will.“ Hinzu komme, dass für die Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen auch umfangreiche Investitionsmaßnahmen zur Schaffung von zusätzlichen räumlichen Kapazitäten erforderlich sind. Jäger, Heute-Bluhm und von Komorowski sind sich daher in ihrer abschließenden Bewertung einig: „Die zeitliche Abfolge der geplanten Einführung des Rechtsanspruchs ist realitätsfern und nicht zielführend. Dies gilt auch dann, wenn das Inkrafttreten um ein Jahr verschoben wird. Bei den Eltern werden Erwartungen geweckt, die man nicht realistisch erfüllen kann. Die Schrittfolge der Bundesregierung ist daher weder sachgerecht noch fair. Am Ende wird sich die Enttäuschung der Eltern bei den Kommunen entladen – verständlich, aber zu Unrecht.“
Da die Bundesregierung noch in der aktuellen Legislaturperiode plant, den Rechtsanspruch gesetzlich zu verankern, appellieren die Kommunalen Landesverbände eindringlich sowohl an die Bundestagsabgeordneten als auch an die Landesregierung, sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens für ein strategisches Vorgehen beim Ausbau der Ganztagsbetreuung an Grundschulen einzusetzen. „Es wäre im Sinne aller Beteiligten, zunächst solide Rahmenbedingungen zu schaffen und die Realisierbarkeit des Vorhabens zu überprüfen, bevor Erwartungen geweckt und Rechtsansprüche verankert werden. Auch die Kommunen haben schon lange erkannt, wie wichtig ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot ist. Dieses Ziel erreichen wir aber nur, wenn Bund, Länder und Kommunen abgestimmt handeln, das Vorhaben finanziell absichern und in dem Umfang ausbauen, in dem auch das notwendige Personal eingestellt werden kann“, so die Spitzen der Kommunalen Landesverbände.