Stuttgart, 20.09.2023 - Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) und der Landkreistag Baden-Württemberg sehen noch erheblichen Klärungsbedarf bei der anstehenden Krankenhausreform, auf die Bund und Länder sich im Grundsatz geeinigt haben.
Der Vorstandsvorsitzende der KVBW, Dr. Karsten Braun, forderte die Politik auf, ihrer Verantwortung für die Finanzierung der Kliniken gerecht zu werden: "Wir brauchen eine leistungsfähige Kliniklandschaft im Land, das ist für die Gesundheitsversorgung unerlässlich. Wir sind hier aber der Ansicht, dass die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden sollen. Denn die besagen, dass die Investitionsmittel aus staatlichen Mitteln, nicht aus den Beiträgen der Versicherten und Unternehmen an die Krankenkassen kommen sollen. Baden-Württemberg hat seine Hausaufgaben gemacht, was die Klinikstruktur angeht. Das würden wir uns von anderen Ländern auch wünschen. Ebenso würden wir uns wünschen, dass die Politik die finanzielle Sicherung der Arztpraxen mit dem gleichen Engagement verfolgt, wie die der Kliniken."
Seine Vorstandskollegin Dr. Doris Reinhardt wies darauf hin, dass die Finanzierung der Kliniken nur ein Teil der Reform sei. "Zentraler Gegenstand der Reform ist die Einstufung der Kliniken in unterschiedliche Levels. Welche Aufgaben in der Versorgung und damit auch Finanzierungsgrundlage die sogenannten Level Ii-Kliniken als ambulant-stationäre Einrichtungen haben sollen, ist weiterhin unklar. Das bedeutet, dass hier eine wie auch immer geartete neue Struktur geschaffen werden soll, die irgendeine Mischung aus ambulanter und stationärer Versorgung darstellt.
Damit greift die Krankenhausreform in die ambulante Versorgung durch die Arztpraxen ein. Mit der Strukturreform und Ambulantisierung muss auch das Thema Weiterbildung einvernehmlich transformiert und geregelt werden. Die Kompetenzvermittlung in der ärztlichen Weiterbildung muss ambulant und stationär gewährleistet werden. Jede strukturelle Änderung der stationären Versorgung tangiert die Versorgungsstrukturen im ärztlichen Bereitschaftsdienst. Integrierte Notfallversorgung im Bereitschaftsdienst heißt konkret, dass beide Strukturen ZNA und NFP am Standort vertreten sind. Und bei allen neuen Strukturen muss klar sein, dass die personellen Ressourcen ambulant wie stationär über alle Berufsgruppen begrenzt sind und daher zwingend in gute Versorgung eingebunden werden müssen. "
Der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg, Prof. Dr. Alexis von Komorowski, wies darauf hin, dass sich Bund und Länder in ihrem Eckpunktepapier zwar auf sogenannte sektorenübergreifende Versorger verständigt hätten, entscheidende Fragen aber bisher noch unbeantwortet seien. „Die Idee, aus einem bisherigen Krankenhaus eine ambulante Einrichtung mit erweitertem, sektorenübergreifendem Versorgungsauftrag zu machen, ist ja nicht neu. Ebenso gibt es heute schon projekthaft umgesetzte Modelleinrichtungen, die den in der Reformdiskussion ins Spiel gebrachten Level Ii-Krankenhäusern sehr nahekommen. Allerdings sehen sich alle diese sektorenübergreifenden Ansätze umfassenden rechtlichen und finanzierungstechnischen Problemen ausgesetzt, weil sie quer zum herkömmlichen Regelsystem liegen. Grundlegende Fragen in diesem Zusammenhang sind aber auch durch die jetzige Bund-Länder-Verständigung nicht geklärt. So möchten wir schon wissen, wer denn eigentlich genau der Träger solcher Einrichtungen sein soll, wer die wirtschaftliche und rechtliche Verantwortung innehat. Und natürlich stellt sich auch die Gretchenfrage, wer für das Ausfallrisiko zuständig ist, falls sich eine solche Einrichtung finanziell nicht trägt. Klar muss bei alldem sein, dass die kommunalen Gebietskörperschaften die ihnen immer wieder zugedachte Rolle eines finanziellen Ausfallbürgen kategorisch ablehnen. Wenn Bund und Länder solche Zentren möchten, müssen sie auch die Organisation und die Finanzierung dauerhaft ausreichend absichern. Andernfalls werden wir diesen, an sich durchaus richtigen, Ansatz einmal mehr nicht zum Fliegen bekommen.
Nachdem sich der Gesetzgeber seit mehr als zwei Jahrzehnten – beginnend mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz vom Dezember 1999 – um eine Öffnung der Sektorengrenzen bemüht, wäre es nicht zu früh, wenn jetzt endlich einmal ein Quantensprung gelänge."
Landkreistag und KVBW forderten denn auch, dass die Ärzteschaft und die kommunale Ebene an den weiteren Beratungen und Ausarbeitungen beteiligt werden. Es sei zwingend erforderlich, dass die Betroffenen vor Ort mit einbezogen werden.